Christian Wetz
(erstellt: Juni 2010)
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1. Allgemeines
Unter Fußwaschung versteht man die Reinigung der Füße (in der Regel mit Wasser) aus hygienischen oder kultischen Gründen oder aus Gründen der Gastfreundschaft oder Ergebenheit. Lediglich in den beiden letzten Fällen wird sie (meist) durch einen anderen ausgeführt; in den ersteren beiden wird sie regelmäßig selbst vollzogen. Fußwaschung ist ein im Alten Orient und im antiken Mittelmeerraum ubiquitär zu greifendes Phänomen und begegnet auch im Alten und Neuen Testament. War ein Reinigender beteiligt, so hatte dieser gegenüber demjenigen, dessen Füße er wusch, in der Regel eine untergeordnete soziale Stellung. Die klimatischen und geologisch-edaphologischen Bedingungen begünstigten wohl die Entstehung dieser Praxis: Die große Hitze bedingte das Tragen von Sandalen, durch deren Zwischenräume der trockene Staub der Landschaft eindrang und die Füße verschmutzte. Dass Fußwaschung vor einem Mahl die Regel war, hat vielleicht auch damit zu tun, dass man zu Tische lag und nicht saß, so dass die verschmutzten Füße sich sozusagen auf Augenhöhe der anderen Mahlteilnehmer befunden hätten.
Fußwaschung ist im Alten Orient und antiken Mittelmeerraum so geläufig, dass sich die Redewendung „mit ungewaschenen Füßen“ zum Ausdruck schlechter Vorbereitung bilden konnte – offenbar mehrere Male unabhängig voneinander (vgl. Thomas 1991, 42.55f).
Im NT begegnet Fußwaschung an vier Stellen, als deren prominenteste Joh 13,1-17
Für die Interpretation der Fußwaschungsperikope Joh 13
2. Fußwaschung im Alten Testament und im antiken Judentum
2.1. Kultische Fußwaschung
Vom Priester, der das → Stiftszelt
2.2. Hygienische Fußwaschung
2Sam 19,24
2.3. Fußwaschung aus Gründen der Gastfreundschaft oder Ergebenheit
Bei der Ankunft der drei Männer in Mamre Gen 18,4
Im antiken Judentum ist Fußwaschung u.a. in der Schrift „Joseph und Aseneth“ repräsentiert. Nach der Ankunft Josephs in Pentephres’ Haus werden ihm noch vor dem Mahl die Füße gewaschen (JosAs 7,1;Text Joseph und Aseneth
Dass die Fußwaschung zu den Obliegenheiten des nichtjüdischen Sklaven seinem Herrn gegenüber gehörte, belegt Bill. II, 557 mit Verweis auf den Midrasch Mekhiltha 82a. Diese Verpflichtung galt nicht für den jüdischen Sklaven. Nach dem Talmudtraktat Ketubbot 96a war ein Schüler verpflichtet, seinem Lehrer die Füße zu waschen. Von der Ehefrau wurde erwartet, dass sie ihrem Mann die Füße wusch (Ketubbot 61a) und von den Kindern, dass sie ihrem Vater die Füße wuschen (Tosephta Qidduschin 1,11).
3. Fußwaschung im hellenistisch-römischen Kulturraum
3.1. Kultische Fußwaschung
In der Odyssee berichtet Homer, dass Telemachos nach der Tötung des Melanthius und einiger Frauen sich Hände und Füße wäscht, bevor er das Haus des Odysseus betritt (Od. 22,454-480; Text gr. und lat. Autoren
3.2. Hygienische Fußwaschung
Fußwaschung aus Gründen der Hygiene wird u.a. bei Apuleius, Apol. 8, erwähnt, wenngleich als Randbemerkung im Gegenüber zur ausführlicher besprochenen Mundhygiene, die dann nicht nötig sei, wenn dem Munde (nämlich dem seines Gegners Aemilianus, gegen den sich Apuleius’ Polemik richtet) ohnehin nur Schmähungen entfahren.
3.3. Fußwaschung aus Gründen der Gastfreundschaft oder Ergebenheit
Ein locus classicus für Fußwaschung aus Gründen der Gastfreundschaft findet sich in der Odyssee (Od. 19,308-319; Text gr. und lat. Autoren
4. Der neutestamentliche Befund
4.1. 1Tim 5,10
1Tim 5,3-16
4.2. Lk 7,38.44
In der Perikope von Jesu Salbung durch die Sünderin Lk 7,36-50
4.3. Joh 12,1-8
Jesus sitzt mit Lazarus, den er von den Toten auferweckt hat, in Betanien zu Tisch. Lazarus’ Schwester Maria wäscht bzw. salbt Jesu Füße mit Nardenöl und trocknet sie mit ihren Haaren. Die Szene weckt den Unmut des Judas, der es lieber gesehen hätte, wenn das Öl verkauft und der Erlös den Armen gegeben worden wäre.
4.4. Joh 13,1-17
Wenn im Zusammenhang mit dem Neuen Testament von Fußwaschung die Rede ist, so ist allermeist die Perikope Joh 13,1-17
Die Auslegung der Fußwaschungsperikope ist so alt wie das Christentum. Eine Übersicht über die Geschichte ihrer Auslegung bietet die Monographie Richters. An Deutungsversuchen aus dem 20. Jahrhundert seien nur genannt (in Klammern einige ihrer Vertreter):
Die Fußwaschung verweist auf das Abendmahl (z.B. Bauer, 130; Strathmann, 194-199).
Die Fußwaschung ist mit der Taufe assoziiert (z.B. v. Dobschütz, 166; Hauck, 947).
Die Fußwaschung existierte als eigenes Sakrament neben Abendmahl und Taufe (Bacon, 218-221).
Die Fußwaschung dient als Instrument, Sünden zu tilgen, die nach der Taufe begangen werden (z.B. Corell, 1958, 72; Warnach, 156f.).
Die Fußwaschung ist ein Demutsbeispiel für die Jünger (z.B. Stählin, 32.41; Streeter, 423).
Die Fußwaschung verweist auf Jesu Leiden und Tod (z.B. Thüsing, 132-135.235; Haenchen, 462-467).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Hauck, F., 1942, Art. νίπτω, ἄνιπτος, ThWNT 4, 945-947
- Knight, F.G.A., 1964, Art. Feet-Washing, ERE2 5, 814-823
- Oepke, A., 1942, Art. λούω κτλ., ThWNT 4, 297-309
- Thomas, J.Chr., 2000, Art. Fußwaschung I. Westliche Kirchen, RGG4 3, 444
- Weiß, K., 1959, Art. πούς, ThWNT 6, 624-632
2. Weitere Literatur
- Bacon, B.W., 1931f, The Sacrament of Love, ET 43, 218-221
- Bauer, W., 1912, Das Johannesevangelium, Tübingen 1912
- Corell, A., 1958, Consummatum est. Eschatology and Church in the Gospel of St John, London
- Dobschütz, E. v., 1929, Zum Charakter des 4. Evangeliums, ZNW 28, 161-177
- Haenchen, E., 1980, Das Johannesevangelium. Ein Kommentar, hg.v. U. Busse, Tübingen
- Kötting, B. / Halama, D., 1972, Art. Fußwaschung, RAC 8, 743-777
- Niemand, Chr., 1993, Die Fußwaschungserzählung des Johannesevangeliums. Untersuchungen zu ihrer Entstehung und Überlieferung im Urchristentum (StAns 114), Roma
- Richter, G., 1967, Die Fußwaschung im Johannesevangelium. Geschichte ihrer Deutung (BU 1), Regensburg
- Stählin, W., 1954, Das johanneische Denken. Eine Einführung in die Eigenart des vierten Evangeliums (GlLeh 3), Witten
- Strack, H.L. / Billerbeck, P., 1928, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. Bd. 2, Das Evangelium nach Markus, Lukas, Johannes und die Apostelgeschichte (Bill. 2), München
- Strathmann, H., 1959, Das Evangelium nach Johannes, Göttingen
- Streeter, B.H., 1961, The Four Gospels. A Study of Origins, London
- Thomas, J.Chr., 1991, Footwashing in John 13 and the Johannine Community (JSNT), Sheffield, 61
- Thüsing, W., 1950, Die Erhöhung und Verherrlichung Jesu im Johannesevangelium (NTA 21), Münster
- Warnach, V., 1951, Agape. Die Liebe als Grundmotiv der neutestamentlichen Theologie, Düsseldorf
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